BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Espelkamp

"Die Steueroptimierung einiger Unternehmen wird für bedeutend weniger Einnahmen bei der Gewerbesteuer sorgen."

25.02.23 – von Florian Craig –

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren aus der anwesenden Öffentlichkeit, von der Presse und nicht zuletzt aus der Verwaltung.

Der Haushalt der Stadt Espelkamp steht dieses Jahr unter einem deutlich anderen Licht als in den vergangenen Jahren. Waren diese bisher geprägt von hohen Steuereinnahmen und Überschüssen, hat die bekannte Gewerbesteuerrückzahlung uns diesen Haushalt doch sehr verhagelt.

Aber nicht nur die Rückzahlung ist ein Problem, dem wir begegnen müssen, wir haben auch etwas Strukturelles, das uns plagt. Die Steueroptimierung einiger Unternehmen wird für bedeutend weniger Einnahmen bei der Gewerbesteuer sorgen. Dies war auch schon mit dem Haushalt 2022 bekannt.

Soviel erst mal zur Einleitung, die Zahlen über die wir sprechen, wurden von der Verwaltung aktuell aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Dafür möchte ich Herrn Horstmeier und seinen MitarbeiterInnen einen besonderen Dank aussprechen.

Deutlich zu erkennen in den vergangenen Jahren und immer wieder unserseits bemängelt, waren die extrem hohen Ausgaben für den Straßenausbau. Der Fokus der vergangenen Jahre, und bedauerlicherweise auch weiterhin, ist: größer, breiter und schneller, mit entsprechenden Kosten in Unterhalt und Bau. Immerhin erkennen wir an, dass in diesem Haushalt das erste Mal in diesem Bereich gespart wurde. Man könnte sagen: Es geht doch!

Allerdings möchte ich an zwei Beispielen aufzeigen, dass sich noch nicht wirklich viel geändert hat:

Gestrichen hat man die Linksabbiegespur Hindenburgring/Beuthener Straße. In unseren Augen eine recht lächerliche Idee. Fast könnte man denken, sie wurde nur erfunden, damit die Opposition was zum Streichen hat?

Auf der anderen Seite nur ein Beispiel aus Gestringen im Westerwinkel: Anstatt die Straße schmaler zu planen, kinderfreundlich, etwa als Einbahnstraße /Spielstraße oder wenigstens für den Durchgangsverkehr gesperrt, wird wieder nach altem Muster verfahren: die Straße soll für den „Begegnungsverkehr“ verbreitert werden, öffentlicher Raum wird zu Anlieger-Parkplätzen umfunktioniert.

Auch möchte ich nochmal klarmachen, dass wir es ablehnen, auf öffentlichem Gelände (Beuthener Str. / Merkur-Allee) ein Parkplatz für ein privates Unternehmen zu errichten. Das grenzt an einen Schildbürgerstreich.

Wir müssen endlich bei der Mobilität umdenken und uns immer die Frage stellen: „Kann ich das Auto benutzen, oder muss ich es benutzen“. Für viele gilt ein reines Muss, geradezu ein Zwang. Kaum ÖPNV, kaum Radwege, kaum Fußwege. Das muss sich ändern!

Ich hoffe, dass wir trotz der angespannten Haushaltslage das Mobilitätskonzept erfolgreich an den Start bringen können, zumindest ist dies, denke ich, weiter der Wunsch aller Fraktionen. Aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt nach vorne. Denn wir stehen vor den verschiedensten Umwälzungen und Herausforderungen für unsere Stadt. Dabei ist Mobilität so viel mehr als einfache Fortbewegung und Straßenbau.

Auch die Innenstadtentwicklung hängt eng mit der Mobilität zusammen und übrigens auch mit dem Rathaus. Hierzu begrüßen wir, dass der Ansatz für Planungskosten auf 150.000 € reduziert wurde. Wir müssen zuerst sicherstellen, dass ein neues Rathaus, in welcher Form auch immer, haushaltstechnisch darstellbar ist, und was genau man sich vorstellt. Wir wollen ja nicht mit Fantasmen wie beim Krankenhaus planen.

Wichtig für die Innenstadtentwicklung ist, dass wir den Blick weiten und nicht mehr nur die Breslauer Straße betrachten, sondern das gesamte Einzugsgebiet der Innenstadt. Hier verfügen wir über ein unglaublich großes Potenzial. Angefangen bei den Sport- und Freizeitmöglichkeiten Atoll, Theater, Freibad, Albert-Pürsten Stadion über die Stadtsporthalle, die angrenzenden Schulen, hinein in die zentrale Einkaufstraße. Dies ist eine extrem hohe Dichte wichtiger Infrastruktur auf sehr kleinem Raum, fußläufig erreichbar, ein riesiges Pfund für eine attraktive Stadt!

Ich persönlich hoffe, das wir eine lebendige, lebenswerte Innenstadt schaffen können. Die es attraktiv macht in ihrer Nähe zu wohnen, zu arbeiten, zu leben - mit hoher Aufenthaltsqualität für die BürgerInnen.

Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass ca. 2/5 unserer Bevölkerung in den umliegenden Dörfern wohnen! Auch für sie müssen wir die Mobilität verbessern und Aufenthaltsqualität immer im Auge behalten.

Für alle Projekte, die wir als Politik anstoßen, als Gesellschaft umsetzen wollen, braucht es aber neben dem Willen zur Änderung, neben dem Anpacken und Ausfechten, auch Personal und Geld.

Beim Personal haben wir glücklicherweise nach den Jahren des Sparens - hier deutlich am falschen Ende! - einen Stand erreicht, der uns positiv in die Zukunft blicken lässt. Wir glauben, dass wir die Aufgaben, die vor uns stehen, personell in der Verwaltung auch darstellen können. Wir begrüßen daher den Vorschlag, den Personalplan an dieser Stelle einzufrieren und nur bei wirklichem Bedarf nachzusteuern.

(Ich habe hier – Stichwort Personal - noch einen Einwurf zu machen: Die Stadt bewirbt Stellen für Reinigungskräfte mit 12,00€ Stundenlohn. Das ist Mindestlohn, und ich denke selbst bei einer angespannten Haushaltslage sollten wir körperlich schwer arbeitenden Reinigungskräften mehr zugestehen als Mindestlohn!)

Beim Geld, ja da sieht es gerade nicht besonders gut aus, die Gewerbesteuerrückzahlung drückt die Liquidität nach unten. Die Steuersparmodelle von Unternehmen lassen unsere Einnahmen schrumpfen. Wichtig für uns ist, dass nicht am falschen Ende gespart wird. Wenn wir das Lebenswerte an unserer Stadt wegsparen, haben wir mit Zitronen gehandelt. Nur eine attraktive Stadt zieht Einwohner an, die unseren gemeinsamen Wohlstand erhalten und erwirtschaften.

Es stehen viele Aufgaben und Investitionen vor uns, die eine Unmenge an Geld verschlingen werden. Angefangen bei schon laufenden Projekten wie der Stadtsporthalle über Kommendes wie das Mobilitätskonzept oder die Innenstadtentwicklung.

Wir haben beim letzten Haushalt nicht ohne Grund eine Gewerbesteuererhöhung gefordert, die mittelfristige Finanzplanung hat damals schon den nötigen Ausblick gegeben. Bedauerlicherweise war man damals geschlossen dagegen.

Von der CDU und der FDP habe ich das ja nicht anders erwartet. Dass nun die SPD in diesem Jahr mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer kommt, die man vor einem Jahr noch als untragbar sehen wollte, ist aber auch irgendwie erfreulich.

Nochmal zu Erinnerung, weil das ja immer durcheinander gerät. Die Grundsteuer wird auf Grund und Boden erhoben, egal, ob der Eigner eine positive Bilanz aufweist.
Bei der Gewerbesteuer ist es genau andersherum, hier wird die Steuer nur erhoben, wenn ein Gewinn erwirtschaftet wurde. Es ist also eine reine Ertragssteuer.

Wir müssen, da unsere Möglichkeiten begrenzt sind, an die Gewerbesteuer ran, bedauerlicherweise hat man das für den Haushalt 2022 schon versäumt, für 2023 sind wir zu spät. Das kostet uns deutlich Liquidität und schränkt unseren Handlungsspielraum ein.

Wir begrüßen daher den Vorschlag, eine Satzung zu erlassen, die es uns ermöglicht, die Hebesätze auch ohne vorliegenden Haushalt anzupassen. Wir müssen hier unsere Handlungsfähigkeit ausbauen und dürfen nicht nochmal in diese Falle tappen.

Von daher begrüßen wir es auch, eine Haushaltskommission zu gründen, die sich aktiv mit dem Zahlenwerk, der Einnahme- und Ausgabenseite auseinandersetzt. Wir müssen uns für die kommenden Jahre, die für uns alle sehr herausfordernd werden, gut aufstellen und offen darüber diskutieren, was wir priorisieren. Eine solche Kommission sollte je Fraktion eine/n Vertreter/in enthalten. Alles andere wäre für uns nicht zu akzeptieren.

Lassen Sie mich auch klarstellen, das ein Sparen an sozialen Belangen für uns nicht in Frage kommt! Hierzu zählen u.a.: ein gutes Angebot bei Kitas, gut ausgestattete Grundschulen, Schulsozialarbeit und eben der klare Anspruch, Menschen zu unterstützen, wo es geht, damit diese in Espelkamp eine Heimat, einen Ankerpunkt finden. (Der „soziale“ Ansatz der CDU ist uns da viel zu wenig. Ich erinnere an dieser Stelle noch einmal an die Windeltonne, die einkommensunabhängig allen Familien mit Kindern frei steht, jedoch nicht unseren Alten und Behinderten.)

Für die Zukunft ist es auch wichtig, dass wir den Ausbau unseres Wärmenetzes bewerkstelligen, offen in die Diskussion zu Bürgerwindparks gehen. Photovoltaik auf möglichst vielen Flächen ermöglichen. Gerade deswegen ist es wichtig, dass die Stadtwerke eine gute Eigenkapitalausstattung haben, die wir nicht antasten sollten.

Die Stadtwerke müssen für uns einen extrem wichtigen Teil der Wende bei Wärme- und Energieerzeugung und deren Ausbau vornehmen. Espelkamp hat das Potenzial, ein Gros seines Bedarfs selbst zu erzeugen. Für diesen Ausbau braucht es aber auch wieder Geld.

Am Ende sind wir als Kommune es, die die Anpassungsmaßnahmen an die globale Erwärmung umsetzen müssen. Noch kann sich das kaum jemand Vorstellen, aber wir werden Flächen beschatten müssen, damit Menschen sich dort noch aufhalten können. Wir werden geschwächte Personen vor der Hitze schützen müssen.

Bevor CORONA unser aller Alltag übernommen hat, wurde der Begriff „Übersterblichkeit“ von der EU für Menschen gewählt, die aufgrund der Umweltbedingungen, also steigender Hitze verstorben sind. Immer mehr Menschen - insbesondere Alte - werden leiden und sterben auch hier bei uns , weil es in Mitteleuropa mittlerweile immer wärmer wird. Die Versiegelung der Städte trägt dazu bei. Wir müssen unser Möglichstes tun um hier einzuschreiten.

Dazu zählen insbesondere Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen durch z.B. Wechsel auf Fernwärme, Wärmepumpen und Elektromobilität, Einbindung von Prozesswärme in das Fernwärmenetz.

Den Stadtwerken dürfen wir das dafür nötige Kapital nicht entziehen, sie brauchen es für extrem wichtige Aufgaben, die wir uns eigentlich auch alle auf die Fahnen geschrieben haben.

Wir werden als GRÜNE Fraktion dem Haushalt zustimmen, da wir das Bemühen erkennen können, Einsparungen vorzunehmen. Wir erkennen an, dass die Verwaltung an vielen Stellen nachgebessert hat und es in Teilbereichen sogar ein Umdenken gegeben hat. Das wollen wir unterstützen.