"Unser Ziel muss es sein, dass unsere Finanzplanung dem Gemeinwohl dient"

Die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Florian Craig.

08.03.21 –

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bürgermeister.

Am 20. Dezember wurde der Haushalt das erste Mal vorgestellt. Das ist nun mehr als zwei Monate her. Zu diesem Zeitpunkt haben wir mit ganz anderen Zahlen gerechnet.

Ja, die aktuellen Haushaltszahlen versprechen nichts Gutes und der Plan beinhaltet immer noch viele Ungereimtheiten – besonders im Hinblick auf die Entwicklung der nächsten Jahre, und das haben wir uns nach der ersten Vorstellung der positiven Zahlen im Dezember anders vorgestellt.

Wir hatten uns lange auf einen Haushalt vorbereitet, hierfür Anträge vorbereitet und uns Gedanken gemacht.

Kurz vor Ende der Haushaltsverhandlungen, also vor ca. drei Wochen, kam dann aber die Nachricht von einem Gewerbesteuereinbruch von grob 11 Millionen Euro.

 

Ein einfaches Durchwinken, wie es CDU, FDP und Unabhängigen eine Zeit lang vorschwebte, kam für uns natürlich nicht infrage. Hier wollte man wohl an die Gutsherrenart der letzten Legislatur anknüpfen. Nicht mit uns!

 

Wir helfen Ihnen da immer gerne auf die Sprünge, wie in vielen anderen Bereichen über die letzten Jahre!

Denn weder konnten die Fachausschüsse tagen, welche eigentlich grundlegend Haushaltsentscheidungen zu beraten hatte, noch konnten neue Ausschüsse konstituiert werden, für die relevante Haushaltsmittel zur Verfügung stehen müssen.

Themen wurde verschoben, Sitzungen abgesagt.

Die Pläne der einzelnen Fachbereiche wurden zwar zur Verfügung gestellt und die Kämmerei sowie die Fachbereiche stand für Fragen durchgängig zur Verfügung. Jedoch ist dies nicht zu vergleichen mit Beratungen in öffentlichen Ausschüssen, an denen eben auch Sachkundige BürgerInnen teilnehmen können sowie die Presse, damit sich wie in den letzten Jahre durch eine breite Berichterstattung zu den einzelnen Sachbereichen die BürgerInnen hätten informieren können.

 

So fehlte also die Öffentlichkeit im Januar und Februar bei den Haushaltsberatungen, ein Zustand, den wir immer kritisiert haben! Und auch an dieser Stelle möchte ich das nochmal deutlich machen: man hätte Ausschüsse CORONA-konform abhalten können und so die Haushaltsansätze in eben jenen Ausschüssen öffentlich behandeln können.

Ja, es hatte einen Grund, dass die Ausschüsse mehrheitlich nicht getagt haben. Dies zeigt uns aber auch, dass wir mit CORONA leben lernen müssen. Besser früher, als später. Wir können nicht demokratische Beratungsprozesse in die Nichtöffentlichkeit geben, da es die Beteiligungsmöglichkeiten der BürgerInnen massiv einschränkt. Wir müssen Möglichkeiten finden, trotzdem eine hohe Transparenz und Beteiligung zu gewährleisten.


Vor drei Wochen wurden wir dann mit den neuen Zahlen konfrontiert, im Haushaltsjahr 2021 werden wir – dank der Corona-Ausgleichsmittel vom Land – noch mit einem „blauen Auge“ davon kommen… Aber dann wird es - nach der von der Kämmerei vorgelegten Planung - von Jahr zu Jahr enger.

Eine weitere Woche Beratung und Rücksprache in den Fraktionen war nach diesen Zahlen aus unserer Sicht bitter nötig.

Ebenso wie die Verwaltung Zeit benötigte, um eine Priorisierung zu erarbeiten. Diese Priorisierung haben wir, so gut es eben in der Kürze der Zeit geht, begleitet. Und so kommt es auch, dass dieser Haushalt für uns GRÜNE ein „Übergangshaushalt“ ist.

Er bildet den Übergang in eine langfristige Finanzplanung für die kommenden Haushalte. Eine Planung, mit der wir die Möglichkeit haben zu gestalten, auch wenn dies beim aktuellen Ausblick vielleicht schwerfällt, wir können es auch als Chance begreifen, neue Prioritäten zu setzen.

 

Die entscheidenden Haushaltsjahre werden 2022, ´23 und ´24 sein, hierfür gilt es ein Fundament zu schaffen, auf dem wir aufbauen können. Und dieses Fundament sollte nicht mehr nur durch eine rein ökonomische Betrachtungsweise geprägt sein! Wir müssen unseren Blick weiten und uns eingestehen, dass unsere Entscheidungen immer eine höhere Tragweite haben. Geldflüsse, welche wir hin und her schieben, haben reale Auswirkungen auf Strukturen vor Ort.

 

Im Arbeitskreis Gebühren und im Haupt- und Finanzausschuss wurden Absprachen getroffen. Und diese nehmen wir ernst!  – und hoffen das auch von den anderen Fraktionen:

 

Es geht uns, wie oben gesagt, um das Grundsätzliche. Kleinkriege um hier und dort ein paar tausend Euro sind nicht zielführend. Für müssen aus dieser Mentalität endlich herauskommen und das Grundsätzliche angehen. Eine langfristige Planung mit Gemeinwohlorientierung für unsere BürgerInnen.

Dazu müssen wir zeitnah mit der Verwaltung gemeinsam ernsthaft in die Planung für das Haushaltsjahr 2022 und folgende eintreten. Es müssen Prioritäten gesetzt werden und wir fragen uns: WAS brauchen wir wirklich und auf welche Prestigeobjekte und unnötige Ausgaben können wir verzichten?

Außerdem müssen natürlich die Entwicklungen auf Kreis- und Landesebene mit einbezogen und die Politik über Entwicklungen im Bereich „Projektanträge“ informiert werden, damit die damit zu erwartenden Geldzuflüsse klar abzusehen sind.

 

Unsere Kritik an dem Haushalt bleibt davon unberührt bestehen.

Beim Straßenbau werden wie immer unglaubliche hohe Zahlen angesetzt, welche weder verbaut werden noch sinnvoll sind.

Grundsätzlich sollten Straßen nicht immer breiter werden, sondern es endlich angegangen werden, neue Wege zu gehen. Man kann Straßen auch reduzieren und Fläche entsiegeln. Ganz komisches Konzept? Nein, Mobilität ist eben nicht nur Verkehr!

 

Es braucht endlich frei verwendbare Mittel in den Ausschüssen, ähnlich wie im Ausschuss für Sport, Vereinswesen und Generationen, damit diese handlungsfähig auch Mittel zum Aufbau und Erhalt von sozialer Infrastruktur geben können. Wir können das nicht durchgängig outsourcen und hoffen, dass Ehrenamtliche diese Aufgaben übernimmt.

 

Apropos Generationen. Etwas, dass wir besonders gut in Espelkamp können, ist Fläche versiegeln. Immer wieder steht in Espelkamp Beton vor Grün. Es wird immer behauptet, man würde ja alles ganz schwer abwägen. Wenn aber am Ende immer der Beton gewinnt, ist das keine Abwägung, sondern eine durchgängige Entscheidung und hat mit Abwägen wenig zu tun!

 

So ein Haushalt besteht ja nicht nur aus dem Kontenplan, es gibt auch eine Anlage mit statistischen Angaben.

Und die sind eindeutig: Die Bevölkerung stagniert, aber unsere Straßen werden länger, die versiegelte Fläche pro Kopf nimmt zu. Wir betonieren für die zukünftigen Generationen Espelkamp dicht. Wir versuchen möglichst wenig Wohnraum auf möglichst viel versiegelter Fläche zu generieren.

Ich empfehle im Hochsommer bei 40 °C einen Besuch des Combi-Parkplatzes. Genießen Sie ruhig mal 20 Minuten die Plus 50 °C Strahlung.

Die Fläche darf zu 100% versiegelt werden laut Bebauungsplan, jetzt sind dort ja sogar die Rabatten mit Kies voll gekippt und damit der letzte kleine Rest Grün verbannt. Das ist Stadtentwicklung aus der Hölle, rein an ökonomischen Kennziffern orientiert - ohne Gemeinwohl-Gedanken.

 

Das wäre ein klassischer Bereich für Klimafolgenanpassung, ein Begriff der in Espelkamp aber noch unbekannt ist, obwohl wir massive Schäden durch den Klimawandel haben. Bäume sterben, Flächen dörren komplett aus. Das hat übrigens was mit Flächenversiegelung zu tun, falls der Bogen nicht ankam!

 

Von daher freuen wir uns, dass der lange blockierte Weg zum Klimamanager nun endlich frei ist. Es brauchte bummelige 1,5 Jahre um den Förderantrag zu stellen! Etwas, das in anderen Kommunen deutlich schneller vonstattenging.

 

Das bringt mich zu dem Punkt Personal und einem für uns ebenfalls sehr wichtigen Part. Ohne ausreichend Personal ist eine Verwaltung nicht handlungsfähig, das muss uns immer bewusst sein.

In den Haushaltszahlen und Anlagen sehen wir einen Personalaufbau, der bitter nötig ist. Es ist für Politik auf Dauer inakzeptabel immer die Antwort zu bekommen: „Wir haben zu viele andere Projekte“. Wir wünschen der Verwaltung, dass sie gutes Personal zeitnah finden wird und Projekte welche durch Politik bestimmt werden, abarbeitet.

 

Es gibt im Haushalt noch viele weitere Punkte, welche ich beleuchten könnte. Aber wie vorher gesagt, sehen wir diesen Haushalt als Übergang an und wollen uns weitgehend auf die kommenden Haushalte konzentrieren.

 

Und wir wollen uns auf das Grundsätzliche konzentrieren. Zum einen Transparenz, hier wurden Schritte eingeleitet, um den Haushalt der breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Das ist ein guter Anfang, es muss aber weiter gehen.

Zum anderen brauchen wir den Einstieg in eine gemeinwohlorientierte Haushalts- und Finanzplanung und wir sollten uns ernsthaft überlegen, Leitlinien für die zukünftigen Haushaltsplanungen zu entwickeln, die für die Verwaltung bei der Aufstellung der Pläne einen Rahmen bieten würden.

So geschehen zum Beispiel in Steinheim und vielen weiteren Kommunen. Österreich und die Schweiz sind uns da leider weit voraus. Dort erstellen vielen Kommunen eine Gemeinwohlbilanz, um eine Folgenabschätzung der Verwendung von Finanzmitteln zu haben.

Nehmen wir als Beispiel Steinheim in Westfalen, 13.000 Einwohner. Ich zitiere hier mal aus deren Präambel:

"Gemeinwohlökonomie-Kommune - was genau heißt das? Gemeinwohlökonomie stellt das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt des ökonomischen Handelns und strebt die Verbesserung der Lebensqualität unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten an. Mithilfe der Gemeinwohlökonomie sollen mittel- und langfristig die Lebens- und Wirtschaftsräume erhalten und aufgewertet werden – vor Ort in der Heimat, aber auch mit dem Blick weit über Stadt- und Ländergrenzen hinaus. Wir leben in einer globalisierten Welt. Alles Handeln hat eine Wirkung. Und auch das Nichthandeln. Dies kann heruntergebrochen werden auf jede Konsumentscheidung."

Es ändert sich nämlich nicht nur eine Zahl, wenn wir Haushaltsmittel verschieben, abändern oder streichen. Hierdurch werden Strukturen angegriffen und gegebenenfalls unwiederbringlich zerstört. Das sollte man immer im Blick behalten und sich nicht nur rein ökonomisch treiben lassen.

Eine Gemeinwohlorientierung in der Finanzplanung bedeutet, dass wir unseren Fokus zum Menschen verschieben und Gewichte in der Abwägung neu verteilen. Unser Ziel muss es sein, dass unsere Finanzplanung dem Gemeinwohl dient und dieses nicht schwächt.

 

Wir werden diesem Haushalt also zustimmen, unter der klaren Ansage, dass wir wie besprochen frühzeitig in die Planung für den Haushalt 2022 eintreten, begleitet durch die Fachausschüsse und mit entsprechender Bürgerbeteiligung.

 

Zum Abschluss möchte ich mich im Namen der Fraktion bei der Verwaltung bedanken. Die Haushaltsgespräche waren gut vorbereitet und der Haushalt durch die Kämmerei ausgezeichnet vorgestellt. Ich habe da nichts zu meckern.

 

Ich freue mich auf konstruktive Gespräche für die kommenden Haushalte!

 

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Kommunaler Haushalt