BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ortsverband Espelkamp

GRÜNE Antworten auf die Espelkamper Grundschulfrage

25.03.15 –

„Es gibt nichts Ungleicheres als die gleiche Behandlung von ungleichen Menschen.”

Thomas Jefferson (1743-1826)

 

Wir Espelkamper GRÜNE setzen uns für den Erhalt der sechs bestehenden kommunalen Grundschulen ein. Vorteile von kleinen Schulstandorten sehen wir vor allem in der Umsetzung eines Konzeptes, in dem die pädagogischen Kräfte alle Schülerinnen und Schüler kennen und somit vor allem die jüngeren Kinder nicht in der Anonymität einer zentralen großen Schule untergehen. Auch steigern Grundschulen die Attraktivität der umliegenden Wohngebiete für junge Familien und verringern die Länge des Schulweges, sodass den Kindern ein größerer Freizeitanteil zugestanden wird. Des Weiteren kann mit der Schließung der Grundschulen die maximale zeitliche Auslastung der angrenzenden Sportstätten nicht erreicht und somit ihr Fortbestehen nicht gesichert werden.

Auf Grund der aktuellen Ereignisse, mit denen ein Rückgang der Schülerinnen- und Schülerzahlen an den kommunalen Grundschulen einhergeht, muss aus den oben genannten Gründen ein langfristiges Konzept zum Erhalt aller sechs kommunalen Grundschulen in Espelkamp erstellt werden. In den Vorgaben des Schulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen wurde festgelegt, dass eine kommunale Grundschule von mindestens 92 Schülerinnen und Schülern (§ 82, Absatz 2, Satz 1) oder in einem Teilstandort einer Verbundschule von mindestens 46 Schülerinnen und Schülern (§ 83, Absatz 1, Satz 1) besucht werden muss, damit diese nicht geschlossen werden. Laut dem veröffentlichten Gutachten zur Grundschulentwicklung in Espelkamp werden in den kommenden Jahren diese Zahlen an allen bestehenden kommunalen Grundschulen ohne Einschränkungen erreicht, sodass in diesem Zeitraum aus rechtlicher Sicht in Bezugnahme auf die Gesamtanzahl der Lernenden keine Einwände bestehen, alle Schulen zu erhalten.

Damit eine Klasse eingerichtet werden kann, muss diese in einer nordrhein-westfälischen Grundschule nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz aktuell von mindestens 15 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Sollte es der Fall sein, dass an einem Standort keine Schuleingangsklasse gegründet werden kann, wie es im laufenden Schuljahr an der Grundschule Isenstedt eingetreten ist, werden alle dort angemeldeten Kinder auf die verbleibenden Schulen verteilt, was wiederum den Vorteilen der vorher genannten wohnortnahen Unterrichtung widerspricht.

Um diesem Szenario langfristig zu entgehen schlagen wir GRÜNE die Einrichtung des jahrgangsübergreifenden Unterrichts vor. Als Vorbild kann hier beispielsweise die Michael-Ende-Grundschule in Minden dienen, in der die Kinder der Jahrgangsstufen 1 bis 3 gemeinsam unterrichtet werden. Neben der Tatsache, dass alle Schülerinnen und Schüler immer die gewünschte Schule besuchen können, da sich in einem solchen Konzept die Klasse aus Lernenden verschiedener Jahrgangsstufen zusammensetzt und es nicht zum jeweils neuen Schuljahr 15 Neuanmeldungen an jeder Schule geben muss, steht als Grundlage eines solchen Konzeptes die Überlegung, dass die Kinder in einer Lernumgebung arbeiten, die an ihre natürliche Lebensumwelt angelehnt ist. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler orientieren sich an den älteren Kindern und entscheiden selbst, ob sie sich einer Aufgabe gewachsen fühlen oder erst eine andere erarbeiten möchten. Werden die älteren Kinder von den jüngeren um Hilfestellungen gebeten, so können erstgenannte ihr bereits erlangtes Wissen durch Wiederholung neu formulieren und verfestigen.

So lernen die Schülerinnen und Schüler voneinander in einer Umgebung des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung, die nicht auf Druck und dem Zwang nach schnellem und vollständigem Wissenserwerb basiert, denn alle Kinder lernen in der von ihnen selbstbestimmten Geschwindigkeit. Dabei können sich bereits diejenigen Schülerinnen und Schüler, welche sich die Unterrichtsinhalte schneller aneignen, den Aufgaben der älteren Kinder widmen, ohne aus ihrer angestammten Lernumgebung herausgenommen werden zu müssen. Gegebenenfalls haben sie auch die Möglichkeit, die auf maximal drei Jahre ausgelegte Schuleingangsphase (Klasse 1 und 2) schneller zu durchlaufen und mit Schülerinnen und Schülern, die sie bereits kennen, gemeinsam in eine höhere Jahrgangsstufe zu wechseln. In der traditionellen Schulstruktur werden sie bei extremen Abweichungen vom geforderten Leistungsstand in eine andere Klassenstufe versetzt, wobei sich die betroffenen Kinder in einem komplett neuen Lernumfeld zurechtfinden müssen.

Auch für das „Sitzenbleiben“ bietet der jahrgangsübergreifende Unterricht Lösungsmöglichkeiten. Bereits 1972 stellte Karlheinz Ingenkamp fest, dass dieses Konzept pädagogisch nicht zu begründen sei, was in den folgenden Jahrzehnten, beispielsweise in der PISA-Studie, wiederholt bestätigt werden konnte. Diese Maßnahme bringt auf der einen Seite unnötige Kosten mit sich (in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2009 wurde errechnet, dass bundesweit etwa eine Milliarde Euro zusätzlicher Ausgaben alleine durch das Sitzenbleiben entstehen), andererseits führt sie im Durchschnitt zu keiner Verbesserung der Schulleistungen der Schülerinnen und Schüler. Zu begründen ist dieses nicht zuletzt mit der Stigmatisierung und dem gewonnenen Selbstbild der Betroffenen, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Wir GRÜNE fordern daher das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken, indem sie individuell in ihrer angestammten Lernumgebung wachsen können.

Die Lehrkraft steht in einem solchen Konzept allen Kindern in ihrem individuellen Lernprozess unterstützend zur Seite. Sie bietet allen Schülerinnen und Schülern individuelles Lehrmaterial und steht selbst nicht unter dem Druck, allen Lernenden im Gleichschritt die Unterrichtsinhalte vermitteln zu müssen, egal auf welchem Leistungs- und Entwicklungsstand sie sich jeweils befinden. Auch können im jahrgangsübergreifenden Unterricht die einzelnen Lehrkräfte effektiver eingesetzt werden, da nicht mehr jede Jahrgangsstufe zu jeder Schulstunde eine einzelne Lehrkraft benötigt. Eine stellenweise Doppelbesetzung mit der damit einhergehenden Differenzierung des Unterrichtes ist auf diese Weise umsetzbar.

Um die Lehrkräfte weiter zu entlasten, ist es sinnvoll, von der traditionellen 45-Minuten-Schulstunde zu längeren Zeitabschnitten zu wechseln, sodass sich die Schülerinnen und Schüler zusammenhängend mit einer einzelnen Thematik auseinandersetzen können. Auch kann die Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler ohne Zeitdruck bewältigt werden.

Zur Umsetzung des beschriebenen Konzeptes wollen wir GRÜNE die Einrichtung eines Arbeitskreises voranbringen, zu dem Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Grundschulen eingeladen werden, um über die Möglichkeiten der Umsetzung des jahrgangsübergreifenden Unterrichts in unserer Stadt zu diskutieren und ein geeignetes Konzept zur Umsetzung zu erstellen. Weiterhin möchten wir anregen, auf die bereits vorhandenen Erkenntnisse bezüglich dieser Schulstruktur zurückzugreifen und Expertinnen und Experten als Unterstützung des Arbeitskreises einladen, die bereits Erfahrungen mit dem jahrgangsübergreifenden Unterricht erwerben konnten und aus der Praxis berichten können.

Die Veröffentlichung des Grundschulgutachtens wurde die Diskussion um den Erhalt der Espelkamper Grundschulen eröffnet. Mit der GRÜNEN Idee haben wir nicht nur die Möglichkeit, alle sechs Grundschulen zu erhalten, wie es zum gegenwärtigen Zeitpunkt von Seiten der Mehrheit der Ratsfraktionen gefordert wird, sondern können auch einen großen Schritt in die Richtung einer modernen Pädagogik unter Berücksichtigung aktueller Ergebnisse der Lernforschung machen, die allen Schülerinnen und Schülern zu Gute kommt. Auf diese Weise wird die Schullandschaft nachhaltig erhalten bleiben und die Attraktivität der Stadt steigern.

Eine gute Schulbildung ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Lassen Sie uns dieses Ziel gemeinsam umsetzen.

 

Hier können Sie diese Stellungnahme als pdf-Datei herunterladen.

Kategorie

Bildung